Silvester 1996
31. Dezember 1996
Nach dem überwältigenden Erfolg des SBS-Raves kam für uns eine lange Durststrecke. Im Anschluss an die Party stieg Stephan endgültig aus der Gruppe aus. Wir hingegen schmiedeten immer ehrgeizigere Pläne.
In der Zeit der großen Raves fühlten wir uns berufen, ein Großprojekt
zu starten. Monatelang berieten wir über Anlagengröße, DJ-Booking, Plakatlayouts
und ähnliches. Während sich unser imaginäres Budget in ungeahnte Höhen
schaukelte, mussten wir feststellen, dass das finanzielle Risiko, zumal
für uns damalige Schüler, zu groß sei.
Auftrieb gaben unseren Träumereien die Gespräche mit dem Schützenverein
Seeheim, der uns für unser Vorhaben die Seeheimer Kulturhalle zur Verfügung
stellen wollte und uns kostenlosen Plakatdruck sowie Sicherheitspersonal
versprach. Die Sache schien realisierbar. Unsere Planung lief bereits
auf Hochtouren, als die Gemeindeverwaltung uns die Nutzung der Halle
verwehrte. Alle weiteren Bemühungen verliefen sich im Sand.
Und so kam es, dass wir erst über ein Jahr nach dem SBS-Rave unsere nächste Party starteten.
Es war Silvester und es war bitterkalt. Ingos freigeräumter Keller stand
uns komplett zur Verfügung und wir nutzten die Möglichkeit.
Im Treppenaufgang wurden unsere Gäste mit einem leckeren Büfett empfangen.
Der sich daran anschließende Flur war dezent mit bunten Lampen beleuchtet,
die durch die mit Stoffbahnen verhüllte Decke schienen. Dort hatten
wir auch einen Diaprojektor aufgehängt, der im ständigen Wechsel Dias
zeigte, deren spacige Motive wir hierfür vorher auf Folie gebannt hatten.
Der Flur führte zum einen zu dem Raum, in dem die Getränke verkauft
wurden, und zur Tanzfläche. Hier hatten wir eine kleine Lichtanlage
installiert. Zum Schutz unserer eigenen Boxen hatten wir vorher Brettergerüste
gebaut, die, mit Folie bespannt, die Lautsprecher umgaben.
Zum anderen gelangte, wer wollte, durch den Flur zum Chill-out-Raum.
Hier waren ein paar Sessel und Sofas aufgestellt. Das Besondere dieses
Raumes war jedoch die Beleuchtung. Hunderte Kerzen waren rundum verteilt
an den Wänden befestigt und strahlten, dass es eine Pracht war. Der
Keller füllte sich schnell und die Party war in vollem Gange. Um Mitternacht
verlagerte sich das Geschehen kurzzeitig in Richtung der nachbarlichen
Briefkästen, dann wurde weitergefeiert.
Die Party endete erst, als ein offenbar synthetisch berauschter Durchgeknallter
im Wahn randalierte und die Glasscheibe der Haustür zertrümmerte. Nachdem
er gewaltsam auf die Straße befördert worden war, spielte sich dort
eine unbeschreibliche Szene ab. Immer wieder versuchte der Tobsüchtige,
beschmiert von seinem eigenen Erbrochenen, die sich auflösende Party
zu stürmen.
Einige unserer Freunde und wir hielten ihn davon ab, wobei die Situation
immer wieder eskalierte. Wir riefen die Polizei. Die beiden fettleibigen
Polizisten, die sich, nachdem unser Störenfried sie bespuckt und beleidigt
hatte, zu einer Verfolgung des langsam davon kriechenden Freaks entschlossen
hatten, mussten uns allerdings keuchend und schnaufend ihren Misserfolg
eingestehen.
Der Keller musste neu renoviert werden, zwei CDs wurden uns gestohlen.
Aber am nächsten Morgen schien die Sonne.